Hilfe holt mich hier raus
Hilfe holt mich hier raus
Ich habe es satt, dieses Homeoffice. So einfach ist das. Es war herrlich am Anfang. Endlich mal konzentriert, im eigenen Rhythmus und ganz selbstbestimmt arbeiten. Die lästigeren Kollegen sind nicht mehr in der Nähe und die netten, hilfreicheren kann ich ja erreichen. Ich trinke einen Kaffee, wenn ich Lust dazu habe, sitze auch mal erst um 10 Uhr am Schreibtisch und auch mal noch um 21 Uhr. Ich habe mich gefühlt wie ein StartUp Girl, dass gerade sehr spannende Zeiten erlebt. Und ein halbes Jahr später denke ich immer häufiger: Hilfe holt mich hier raus.
Jetzt reicht es mir. Ich will wieder unter Leute, will zuverlässig planen und möchte endlich mal in Urlaub.
Unter Leuten
Unter Leute ist nicht so schwer. Schon beim Einkaufen ist man ja unter Leuten. Aber da fängt das Dilemma auch schon an. Es sind mir persönlich zu viele Deppen unterwegs, die mir zu nahe kommen, die ihre Maske gar nicht oder halb tragen und die, wenn ich sie darauf hin anspreche, mit Sprüchen aufwachten, wie: “Ich habe kein Corona.” Woher willst du das wissen du Hirni, denke ich dann. Hast du vor 5 Minuten einen Test gemacht, kommst du gerade aus der Quarantäne? Es ist ganz und gar sinnlos mit jemandem über Corona und die notwendigen Präventionen zu reden, wenn man ihn nicht kennt. Viele Menschen sind Egoisten und jetzt zeigt es sich ganz deutlich.
Sehnsucht nach Urlaub
In Urlaub würde ich auch so gerne. Ich stelle mir weiße Stände vor – leere natürlich – und sitze im Gedanken in einer Strandbar, höre Reggae und schaue aufs Meer.
Aber wie und wohin und sind die Flughäfen sicher und wer sagt die Wahrheit. Wahrheit scheint mir ein sehr seltenes Gut zu sein. Nicht im philosophischen Sinne, sondern ganz praktisch. Da hat sich nichts geändert. Jeder kann seine Meinung heraus schreien und schreiben, was er für die Wahrheit hält, oder was Quote macht oder gut Klickzahlen. Wie auch immer mich verunsichert das hin und her. Wo kann ich hin, wo nicht?
Eines meiner liebsten Beispiele an Kuriositäten, ist der Staat Luxemburg. Oder besser beschrieben, wie ein kleiner Staat behandelt wird, der den anderen gerade verdammt gut helfen kann. In Luxemburg werden alle Einwohner und alle Grenzgänger (über 150.000 pro Tag) auf Corona getestet. So will man einen Überblick über die Dunkelziffer bekommen. Wie hoch ist die Zahl derer, die keine Symptome haben ist ja gerade die Frage. Aber statt dankbar zu sein, machen die Länder rundherum wieder die Grenzen zu. Allen voran wieder Deutschland stuft Luxemburg als Risikogebiet ein. Unfassbar. Als wäre die Dunkelziffer in Trier anders als in Esch, Diekirch oder Ettelbrück.
Im Grunde fühle ich mich zuerst einmal ganz und gar machtlos. Komme mir eingesperrt vor und habe keine Ahnung wann das endet. Und ob es endet. Die Proteste sind verstummt, als hätte sich alles erledigt. Ich war nicht gerade ein Fan der ohne Maske Proteste, aber ich wünschte wir würden alle zusammen aufmerksam verfolgen was noch zu unseren Freiheiten gehört und welche wir schon verloren haben.
Und alles im Allem will ich einfach nur schreien “Hilfe holt mich hier raus”. Ich will in mein altes Leben zurück. Vielleicht ein bisschen mehr Homeoffice und ich verspreche nicht mehr “just for fun” mal für zwei Tage nach Nizza zu fliegen. Ich habe angefangen Gitarre zu lernen und spanisch. Das ist natürlich wunderbar. Aber ich will nicht mehr immer allein sein und keine andere Wahl haben als zu arbeiten, zu chatten, und meine Klamotten im Online-Store zu kaufen. Na ja, warum auch. Ich kann hier fast immer nackt durch die Wohnung laufen. Sieht mich ja keiner.
Eure frustgeplagte Frauenkonto-Schreiberin, die so gerne mal raus will ohne darauf zu achten, ob sie angehustet wird.